Bericht des Ersten Vorsitzenden Dr. Johannes Werner bei der Mitgliederversammlung am 21. Oktober 2011 in Hornberg


Liebe Freunde,

man muss die Feste feiern, wie sie fallen. In diesem Jahr wird die Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft schon zehn Jahre alt, und diejenigen, die sie mitgegründet haben, merken einmal mehr, wie schnell die Zeit vergeht. In den ‚ungeraden’ Jahren zwischen den Symposien haben wir unserem Rundbrief ja immer etwas Besonderes beigelegt, und in diesem Jahr sollte es daher etwas ganz Besonderes sein; und da erinnerten wir uns an das Jahr 2007, in dem wir aus doppeltem Anlass an Wilhelm Hausenstein – geboren 1882, gestorben 1957 – gedacht hatten; und zwar mit vielen Veranstaltungen an vielen Orten, von denen die in Paris sicherlich die wichtigste war. Und von besonderer Wichtigkeit war dort die sehr persönliche, sehr authentische Rede von Alfred Grosser; wir haben sie (im französischen Original und einer deutschen Übersetzung von Dorothee Horvath-Maier) unserem Rundbrief beigelegt und hoffen, dass Sie sie mit Gewinn und Genuss zur Kenntnis genommen haben. Alfred Grosser selber hat sich, wie er mir schrieb, über unsere Initiative sehr gefreut.
Blicken wir zurück: zunächst auf das Symposium 2010, das, wie alle seine Vorgänger, wiederum als ein großer Erfolg gewertet werden kann. Es begann mit dem fulminanten Auftritt der Bigband des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums Durmersheim unter der Leitung von Thomas Urban; dieser Auftritt, der den Rathaussaal von Hornberg fast zu sprengen drohte, war der bestmögliche Auftakt zu dem Thema ‚Emigration und Exil’, das mit einer wiederum musikalischen Matinee unter der Leitung von Karin Pätzold abgerundet wurde. Dazwischen lieferten (moderiert von Thomas Schwertel) Kerstin Bitar M.A. aus Zürich, Prof. Dr. Ingeborg Willke aus Bochum/Stockholm, Prof. Dr. Hubert Roland aus Löwen bzw. Leuven bzw. Louvain und unsere Münchner Freunde Katharina Brandl, Dorothee Horvath-Maier, Hansjörg Platschek und Alfred Schiffner, und noch andere, viele und verschiedene Beiträge zum Thema, die wir, wie üblich, demnächst im Druck vorlegen werden (herausgegeben von Dr. Dieter Jakob). In diesen Sammelband nehmen wir auch den bewegenden Bericht auf, den uns Wolf Preißner aus Mannheim über seine Begegnung mit Hausenstein gegeben hat; keiner, der ihn gehört hat, wird ihn je vergessen.
Übrigens ist es gewiss nicht unwichtig, dass die Bigband des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums Durmersheim den Namen unseres Namensgebers in eine größere Öffentlichkeit trägt; etwa auf ihrer traditionellen Tournee nach England, die auch in diesem Jahr sehr erfolgreich verlief.
Der Wilhelm-Hausenstein-Preis für besondere Leistungen im Fach Bildende Kunst, der den Namen unseres Namensgebers ebenfalls in eine größere Öffentlichkeit trägt, konnte in diesem Jahr nur in Durmersheim, und zwar an Nicolas Weisenburger, verliehen werden. Die Kollegen legen, zu Recht, die Latte hoch.
Auch sonst sorgen wir weiterhin dafür, dass Hausenstein in Erinnerung bleibt. Ganz ohne unser Zutun geschah dies durch ein Buch, das seinem Gedenken gewidmet ist; in der „Zueignung“ heißt es zu Recht, dass er „ein großer Europäer, ein mutiger Kämpfer für die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach zwei schrecklichen Bruderkriegen, ein Bannerträger des europäischen Gedankens“ war. Das Buch selber, geschrieben von Dr. Reiner Jesse, heißt ‚Licht und Schatten. Roman um den Maler Claude Monet’ (1214 Seiten; AtheneMedia, Dinslaken 2011); ein nicht nur äußerlich gewichtiges, lesenswertes Werk.
Schon lange haben wir geplant, das literarische Werk von Wilhelm Hausenstein, das sich ja nur noch in Antiquariaten und Bibliotheken finden lässt, wenigstens in Ansätzen wieder zugänglich zu machen; wir haben vorerst an ein schmales Bändchen mit kurzen, charakteristischen Texten gedacht. Dieser Plan soll nun baldmöglichst in die Wirklichkeit umgesetzt werden; die Vorbereitungen haben bereits begonnen.
Blicken wir weiter voraus: auf das Symposium 2012, das dem Thema ‚Architektur’ gelten wird; also wiederum einem Thema, das bei Wilhelm Hausenstein anknüpft (denken wir nur an seinen unvergleichlichen Aufsatz über ‚Das Schwarzwaldhaus’) und bis in unsere Gegenwart weiterzuführen ist. Aktuell ist es ohnehin, denn wohnen, leben in einer gebauten Umwelt müssen wir alle, so oder so. Auch die Vorbereitungen für das Symposium haben bereits begonnen.
Zum guten Schluss möchte ich Ihnen und allen unseren Mitgliedern sehr herzlich danken – in der Hoffnung, dass wir noch manches Jubiläum miteinander feiern können.

Nachruf auf Klaus Ringwald

Das Jahr 2011 war, was unsere Gesellschaft betrifft, insofern kein gutes Jahr, als wir eine ganze Reihe von – durchweg engagierten – Mitgliedern verloren: am 22.02. starb Walter Pätzold, am 07.03. Emma Storz, am 26.05. Prof. Dr. Joachim W. Storck, am 14.07. Wolfgang Neuß, am 18.10. Willi Moser – und am 29.11. Prof. Klaus Ringwald. Auch er, ja gerade er, war unserer Gesellschaft von Anfang an verbunden. Mehrmals hat er uns am Ende und zum Abschluss eines Symposiums sein Atelier geöffnet, und keiner, der dabei war, wird je vergessen, was er uns sagte und zeigte, und wie. Das Symposium 2004, bei dem es um ‚Vorbilder’ ging, bereicherte er mit einer Ausstellung der aus seiner Hand hervorgegangenen Porträts. Für das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium in Durmersheim schuf er einen Abguss der von Jakob Fehrle geschaffenen Büste des Namensgebers, die ihr Vorbild wohl noch übertraf, und für unser allzu früh verstorbenes Mitglied Friedrich Hitzer ein schönes Grabmal. Jetzt stehen wir vor seinem eigenen ... traurig, aber auch dankbar für sein Leben und sein Lebenswerk, das wir hier noch einmal in Erinnerung rufen wollen.


Klaus Ringwald wurde am 6. August 1939 in Schonach im Schwarzwald geboren – kurz bevor der große Krieg begann, der seinen Schatten auch über die sonst so friedliche Heimat warf. Das stille, schlichte, harte Leben in eben dieser Heimat hat den kleinen Klaus (der die Kühe hütete, der mit der Großmutter Pilze und Beeren sammelte) auf Dauer geprägt. In Schonach ging er auch zur Schule, zur sogenannten Volksschule, und begann dann in Triberg eine Lehre als Schnitzer, die er, noch nicht 17 Jahre alt, mit der Prüfung zum Gesellen abschloss. Als solcher arbeitete er erst einmal weiter, ging aber mit 21 Jahren an die Kunstschule Wolkenstein im Grödnertal, in Südtirol, wo sich ihm die Welt des Südens auftat. Über München, wo er zwei Jahre lang bei Prof. Karl Baur mitarbeitete, kam er nach Nürnberg zu Prof. Hans Wimmer, dessen Schüler, dann sogar Meisterschüler er wurde. Das waren wieder vier und nochmals zwei Jahre.

‍ Wimmer war ein großer Meister, aber eigentlich kein guter Lehrer; jedenfalls war er einer, der es seinen Schülern sehr schwer machte, der sie eher abstieß als anzog. Auch er war aus der Provinz, der niederbayerischen nämlich, nach München gekommen und dort in die Welt der großen Kunst eingetreten, wie sie sich in den berühmten Sammlungen auftat und darbot; aber auch in die Welt der Musik, ja des Geistes überhaupt. Viele von denen, die in ihr Rang und Namen hatten, hat Wimmer gekannt, viele auch in konzentrierten, aufs Wesentliche reduzierten Bildnisbüsten porträtiert.


Und darin ist Ringwald, als einer von wenigen, Wimmer gefolgt. Bald ist er selber ein Meister geworden; er hat seinen Weg gefunden und ist ihn unbeirrt gegangen. Man begegnete ihm bei der Arbeit in dem hohen und hellen, von klassischer Musik erfüllten Atelier, das er sich im Wald oberhalb von Schonach, seinem Heimatort, erbaute. Von seinen vielen Reisen, die ihn nach Frankreich, Italien und Spanien, nach Griechenland, Ägypten, Indien und China führten, ist er immer wieder hierher zurückgekehrt. Aber immer wieder hat er auch erfahren müssen, dass ein Prophet nirgends so wenig gilt wie in seiner Heimat, dass er gerade dort ein Rufer in der Wüste ist. Ringwald hat immer mit offenem Visier gekämpft; hat sich nie gescheut, die Dinge beim Namen zu nennen, den Finger auf die Wunden zu legen, auch wenn es wehtat.


Als Schwarzwälder, der er war, und der er sehr bewusst war, hat sich Ringwald, der akademische Bildhauer und Professor, bei aller Weltgewandtheit noch etwas Knorriges, Uriges bewahrt; auch etwas Unzeitgemäßes. Es gibt nur noch wenige, die, wie er, auf dem festen Boden des Handwerks stehen; die mit einer solchen Liebe und Vorliebe in einem der ältesten, zugleich aber schwierigsten Materialien arbeiten, nämlich in der erst glutflüssigen, dann festen Bronze; und die dem gegenständlichen Motiv so treu geblieben sind: vor allem der Gestalt des Tieres und des Menschen; der Gestalt des Menschen, und seinem Gesicht. (Aber es ging ihm, wie er selber sagte, eigentlich nicht um das Gesicht, sondern um den Kopf über dem Rumpf, den Schädel auf den Schultern; weshalb er, der Porträtist, die Porträtierten bei den sogenannten Sitzungen auch nicht sitzen, sondern stehen ließ: aufrechter Stand, aufrechter Gang! Nur so konnte er ihnen gänzlich gerecht werden, nur so ihre Gestalt gleichsam ins Gesicht verdichten.) Von seinen Bildnissen lässt sich mit Hegel sagen, sie seien „gleichsam getroffener, dem Individuum ähnlicher als das wirkliche Individuum selbst“.


Es darf aber nicht vergessen und nicht verschwiegen werden, dass Ringwald nicht nur Porträtist war; sein Werk umfasst viele Plastiken im kirchlichen und öffentlichen Raum; Brunnen etwa in Villingen, Hechingen, Waghäusel und Karlsruhe-Durlach; den Stier von Kork; die Geschichtssäule in Säckingen; die Benediktsstele in Kloster Neuburg; die Türen am Villinger Münster; die Chorräume der Kirchen in Karlsruhe-Mühlburg, Singen und Staufen; den Chorraum der Mannheimer Jesuitenkirche; das Denkmal für Kardinal Höffner in seinem Geburtsort Horhausen; und die große Christusfigur am Pilgrims’ Gate der Canterbury Cathedral. Diese Werke, zumal das zuletzt genannte, zeigen deutlich, worin Ringwalds besondere Stärke bestand: in der einfühlsamen Einfügung in einen vorgegebenen baugeschichtlichen Bestand, d.h. ohne ihn zu beherrschen, aber auch ohne sich von ihm beherrschen zu lassen. Die Ein-ordnung war es, auf die es ihm ankam, und auf die Ordnung überhaupt; d.h. darauf, dass alles einen rechten Ort und Wert, sein richtiges Gewicht hat, in der Kunst und außer ihr. In einer Rede auf Ringwald hat Carlo Schmid zu Recht gesagt, dass er, Ringwald, darunter leide, „dass die Dinge nicht so sind wie sie sein könnten, wie sie mit unseren Mitteln gemacht sein könnten, wenn wir guten Willens wären“.

Dr. Johannes Werner

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